Ein Drittel aller Menschen, die den zweiten Weltkrieg miterlebten, haben ein schweres Trauma erfahren, zum Beispiel Tod, Vergewaltigung, Todesbedrohung und Verschüttung. Hinzu kommen kriegstraumatische Erfahrungen der Nachkriegszeit, der Vertreibung und Flucht oder im Laufe von späteren Bürgerkriegen wie im früheren Jugoslawien. Zwei Drittel bis drei Viertel aller über 75jährigen sind heute traumatisiert. Auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde Reken und des Vereins Leben im Alter in Reken e.V. referierte Gitta Alandt am 14.03.2017 vor rund zwanzig Interessierten im RekenForum über das Thema (Kriegs)Trauma im Alter.
Die Projektleiterin „Alter und Trauma“ in der Region Rhein/Ruhr und Leiterin des Duisburger Instituts für Gerontopsychiatrie berichtete aus ihren eigenen Praxis-Erfahrungen. Sie hat zahlreiche traumatisierte Menschen mit und ohne Demenz begleitet, arbeitet seit mehr als 20 Jahren im sozialen Dienst in Alten- und Pflegeheimen. Was ist eigentlich ein Trauma? Trauma ist ein Wort aus dem Griechischen und bedeutet: Wunde, Verletzung. Trauma ist also eine seelische Wunde, die die Bewältigungsmöglichkeit betroffener Personen subjektiv unterschiedlich übersteigt.
Ein Traumaerleben kann bewältigt werden, andererseits aber auch chronische Folgen haben, so dass Menschen immer wieder darunter leiden. „Es ist notwendig, in der Altenhilfe von den kriegstraumatischen Erfahrungen und ihren Auswirkungen zu wissen und zu lernen, wie man damit umgehen kann“, verdeutlichte die Therapeutin und fügt hinzu: „Die Menschen sind oft erregt, unruhig und zuweilen auch erstarrt, schämen sich, sind verzweifelt, fühlen sich ausgeliefert, haben Angst vor kriegsähnlichen Geräuschen wie beim Feuerwerk und entwickeln sogar völlig unbegründete Schuldgefühle. Das Schlimmste ist, dass viele nicht darüber sprechen können, weil ihnen nicht zugehört wird. Insbesondere die sexualisierte Gewalt ist ein großes Tabu.“
Helfen kann man den Menschen, in dem man sie ernst nimmt. Wissen und Verstehen, Zuwendung, Ansprechen, Beruhigung, Trost, Halt und Aufrichtung sind wichtige Faktoren für alle Pflegekräfte und Angehörigen im Umgang mit traumatisierten Personen. „Nur dann kann die Wunde Trauma heilen“, konstatiert die mit viel Empathie vortragende Referentin. Dass Gitta Alandt ihr Publikum im Laufe ihres 90minütigen Vortrages erreicht und stark sensibilisiert hat, wird nicht nur durch den Applaus zum Ende der Ausführungen deutlich. Einige Zuhörerinnen und Zuhörer stellen zielgerichtete Fragen, andere berichten anschaulich über ihre ganz persönlichen und bewegenden Kindheitserlebnisse aus dem zweiten Weltkrieg. (hh)